Michael Wolfschmidt

Alles wird anders sein…

Die halbe Wahrheit über Michael Wolfschmidt (Singer/Songwriter)

Inwieweit Künstler und insbesondere Live-Musiker eine exhibitionistische Ader brauchen, damit ihr Publikum das Gefühl bekommt, dass sie ihr Innerstes offenbaren, ist eben so schwer zu ermitteln wie der Prozentsatz an schauspielerischem Talent, der nötig ist, um dasselbe Ziel zu erreichen, ohne Exhibitionist zu sein.

Das klingt kompliziert. Aber so ist das Leben eben. Da sitzt schon mal einer bereits im harm- aber nicht furchtlosen Alter von fünf Jahren am Klavier, klopft sich an den Tasten die Fingerkuppen platt und freut sich über jede Melodie, die ihm gelingt. Braucht aber dann noch mal fast 20 Jahre mehr, bis er sich Singer/Songwriter mit eigenen Kompositionen schimpfen darf. Hochoffiziell.

Dazwischen liegen Jahre voll musikalischer Demut vor Helden, deren Platten und Namen jeder kennt, der zwischen 1975 und 1985 geboren und mit deutschsprachiger Rockmusik sozialisiert wurde. Genau wie all jene wurde auch Michael Wolfschmidt, beheimatet in der DIY-Rock-Diaspora Mittelfranken, von der Musikalität der eigenen Muttersprache überwältigt. Wie schnell ein paar einfache Worte intensive Gefühle ausdrücken, echte Erlebnisse zu Songs machen und im richtigen Augenblick Bock auf mehr Leben machen können, hat ihn schwerwiegend beeindruckt. Also beginnt er selbst im eigenen Leben zu kramen.

Und das hat für ihn anfangs ein recht überschaubares Programm vorgesehen: Nämlich nach Abitur und kaufmännischer Ausbildung, den Dienst als Tankwart an der gepachteten Servicestation der Eltern zu verrichten. Immerhin ein Job, der ihn ernährt und tagtäglich mit Hunderten von Leuten zusammenbringt. Es dauert nicht lange, bis auch aus diesen Begegnungen Lieder entstehen. Zunächst sind es Notizen, dann Melodien am Klavier. Trotzdem bedeutet Musik zu machen für Wolfschmidt nicht etwa sich zu verkriechen. Im Gegenteil. Er braucht Publikum, denn er will gar nicht der „einsame Wolf“-Schmidt sein, im Studio oder auf der Bühne. So entwickelt sich aus der Bekanntschaft zu Gitarrist Michael Birkel bald ein ständig lodernder Austausch von Gedanken und Inspirationen.

Eine Freundschaft, eine soziale Gruppe, die bei jedem Livekonzert um exakt die Zahl der anwesenden Zuschauer wächst. Schon bald wird er als genialer Support-Act entdeckt, hat inzwischen dreimal als Vorband für Rainhard Fendrich mehrere Tausend Leute überzeugt und wird auf Festivals wie dem Tollwood München gebucht. Weil Wolfschmidt nicht mit Pathos auf die Bühne geht, ohne Inszenierung. Das mag manchen zu roh klingen, andere mag seine unkostümierte, direkte Art verunsichern. Wieder anderen scheint er vielleicht zu einfach gestrickt. Wenn die mal wüssten wie vielschichtig und –dimensional es hinter seiner Stirn zugeht.

Genau darin steckt sein Talent. Dass er Geschichten so unpoetisch und unprätentiös rüberbringt, wie das viele Jahrzehnte lang nur die ganz großen Folk- und Rockhelden, Songwriter aus dem Mutterland des Genres hinbekommen haben. Wolfschmidt stürzt sich nicht vom meterhohen Turm in ein Meer aus Worten, um nach dem richtigen zu tauchen. Er holt einen fertigen Satz aus der Tasche. Und er passt.

Das ist so aufrichtig, dass viele hinter seinen Songs publikumswirksame Seelenstrips vermuten. Aha, denken sie: Wieder einer, der seine exhibitionistische Ader auslebt. Gut, dass er so kamerageil ist und nebenher als Moderator und Schauspieler seine Charakternase in der Glotze zeigt. Denn dadurch hält ihn genau dieselbe Gruppe von Leuten kurz darauf wieder für einen abgebrühten Inszenator seiner selbst.

Wie gesagt: Es ist schwer zu ermitteln, was ein Künstler eher braucht. Wolfschmidt, dieser mitreißende Unterhalter, der Rockenthusiast mit der überlegenen Coolness eines Alltagshelden, scheint die Antwort zu kennen. Aber geben wird er sie uns nicht. Dafür hat er viel zu viel andere wichtige Dinge zu sagen!